Es sind drei Anlassfälle definiert:
- Der Krisenfall (liegt durch den Ukraine-Krieg vor)
- Der Neutralitätsfall (lag und liegt nicht vor)
- Der Verteidigungsfall (lag und liegt nicht vor)

Ich meine, dass sich die österreichische Regierung von 2022 (Ausbruch des offenen Krieges von Russland gegen die Ukraine) bis Ende 2024 bei folgenden Themen NICHT an diese Doktrin gehalten hat. Dabei ist die Aushöhlung der Neutralität eine konsequente Fortführung bereits vorher zugelassener (wenn nicht bewusst angestrebter) Verstrickung mit europäischer Sicherheits- und Interessenspolitik.

Thema 1 (wirtschaftliche Landesverteidigung): Im 'Krisenfall' (lt. Definition der ULV 'Bei internationalen Spannungen und drohender Konfliktgefahr in mittelbarer oder unmittelbarer Nachbarschaft zu Österreich') hat sich der Fokus lt. ULV auf Maßnahmen zur wirtschaftlichen Landesverteidigung zu richten.
Die östereichische Bundesregierung hat durch die Beteiligung an den Writschaftssanktionen gegen Russland für Verteuerung von Energie, Inflation und Schwierigkeiten für Unternehmen gesorgt.

Thema 2 (geistige Landesverteidigung):
Der Begriff 'Demokratie' wird von unseren Anführern (Bundespräsident, Bundeskanzler, Parteispitzen) gerne verbal hochgehalten. Real beschränken sich die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Staatsbürger auf die Abgabe ihrer Stimme für eine Partei und sehr seltene Volksbefragungen. Diese Form des demokratischen Prozesses hat sich dreifach ausgehöhlt:
a) Die Welt bewegt sich immer schneller, daher sollten wichtige Entscheidungen auch schneller erfolgen. Eine Partei (deren Programm und deren Versprechungen) habe ich aber für die nächsten 5 Jahre gewählt. Es werden im nächsten Jahr aber Situationen auftreten, zu denen die von mir gewählte Partei noch gar keine Position formuliert hat, geschweige denn, dass diese aus ihrer Grundhaltung für mich ableitbar wäre. Beispiele sind: Umgang mit der Corona-Situation, Kriege in der Nachbarschaft und Finanzkrisen.
b) Die fortschreitende Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft spiegelt sich in der Parteien-Landschaft. Es wird immer schwieriger, eine Regierung zu bilden. Verschleierte populistische Kommunikation und faule Kompromisse und treten an die Stelle von klaren Aussagen und sinnvollen zukunftsfühigen Entscheidungen.
>>> Ich wünsche mir mehr konkrete (direkte) Demokratie
c) Vorgänge in Östereich sind immer stärker mit internationalen Gegebenheiten verflochten (EU-Zugehörigkeit, Digitalisierung, globales Finanzsystem, Klima). Wie soll ich da ein Gefühl entwickeln können, dass ich mit meinem Willen demokratisch zur Gestaltung von Österreich beitragen kann? Wie mir geht auch vielen anderen das Demokratie-Gefühl verloren.
>>> Ich kann nicht sehen, welche Maßnahmen die Regierung hier setzt, um gegenzusteuern und die geistige Landesverteidigung zu stärken. Der demokratische Grundkonsens droht zur hohlen Phrase zu werden.

Thema 3 (implizite NATO-Annäherung durch EU-Mitgliedschaft) : Österreich wahrt grundsätzlich NICHT Äquidistanz zu westlichen militärischen Bündnissen und zu Russland. Die Neutralität wird als Prinzip zwar hochgehalten, durch die Verflechtung und Überschneidung von EU und NATO, der Mitgliedschaft Österreichs in der EU (seit 1995) und seiner Teilnahme an ihrer Sicherheitsstrategie wird die Neutralität Österreichs aber zu einer in sich widersprüchlichen Chimäre. s. dazu:
- Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union (EU) ist das wesentliche Instrument der EU zur Bewältigung von Sicherheitsbedrohungen und stellt damit den zentralen Handlungsrahmen der österreichischen Sicherheitspolitik dar.
- Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU
- Strategischer Kompass der EU
- European Peace Facility (EPF/EFF) und Österreichs Beitrag zu EPF/EFF: Dieser Außerbudgetäre Topf der EU wurde 2021 mit 5,7 Mlrd € für den Zeitraum bis 2027 ausgestattet und (wegen der Waffenlieferungen an die Ukraine) mittlerweile auf 17 Mlrd € aufgestockt. Österreichs Beitrag dazu beträgt 2,8% = 476 Mio @. Österreich (wie auch Irland und Malta) finanziert 'letale Wirkmittel' nicht mit, blockiert diesbezügliche Ratsbeschlüsse aber auch nicht.
- EUFOR/ALTHEA: Seit Dezember 1995 unterstützen österreichische Soldaten die Einhaltung des Dayton-Abkommens zur Sicherung von Bosnien-Herzegowina als selbständiger Statt, ursprünglich unter dem Kommando der NATO (IFOR "Implementation Force", ab Dezember 1996 SFOR "Stabilization Force"). Mit Jahresende 2004 übernahm die EU die Mission, die seither unter dem Namen EUFOR/ALTHEA läuft.

Thema 4 (explizite NATO-Annäherung): s. Östereich und die NATO
Die neutralen Staaten Österreich, Irland, Schweiz und Malta (WEP4) richten im Dezember 2023 einen Brief an die NATO.
Presse-Artikel
2024-05-08: Parlamentarische Anfrage an BM Schallenberg (V) durch Abg. Herr (S), Laimer (S) et al (S) zu Inhalt, Genese und Verantwortung dieses Schreibens.
Parlamentarische Anfrage
BM Schallenberg (V) antwortet schriftlich 2024-07-08 [Zusammenfassung J.Ernst]: Die Initiative ging von der Schweiz aus, Experten trafen sich, die Veröffentlichung derartiger Papiere ist nicht üblich.
Parlamentarische Anfragebeantwortung

FAZIT:
Die Teilnahme Österreichs an der vom kriegswiligen Deutschland ins Leben gerufenen European Sky Shield Initiative (ESSI) wurde durch die Unterzeichnung einer Absichtserklärung (2023-07) und einer Beitrittserklärung (2024-05) bereits vertraglich durch BM Tanner (ÖVP) vorangetrieben.
Die reale Umsetzung würde zu einer noch tieferen Einbindung Österreichs in das Interessens-Geflecht von Deutschland, EU und NATO führen, ohne dass der Wille der Bevölkerung berücksichtig wird. Es wird aber von Verantwortung, Reaktionen auf neue Bedrohungen, ausschließlich Beschaffungskooperation und keinerlei Widerspruch zu unserer Neutralität (!?) geredet.

ZITAT (6. Absatz) auf der Internet-Seite des deutschen Bundesministeriums für Verteidigung: "Mit ESSI (European Sky Shield Initiative) wird der europäische Pfeiler in der NATO (North Atlantic Treaty Organization) gestärkt. Es ist beabsichtigt, die ausgebauten oder neu geschaffenen Fähigkeiten der gemeinsamen Beschaffungsinitiative in die vom NATO-Befehlshaber für Europa geführten Luftverteidigung des NATO-Gebietes einzubinden."

VERKAUFT UNS NICHT FÜR DUMM!

Mit Bedrohungsszenarien, Angstmache und falschen „Sicherheits“-Versprechen zur Kriegsbeteiligung Österreichs (ggae, 2024-02)